Wer über Zerspanung spricht, kommt an dem Thema Nass- und Trockenbearbeitung nicht vorbei. Aber wo liegen die Vor- und Nachteile und welche Fertigungsverfahren sind überhaupt betroffen? Alles dazu erfahren Sie im Blog.
Als Zerspanung bezeichnen wir alle Fertigungsverfahren, die durch das Abheben von Spänen ein Werkstück in eine geometrische Form bringen. Das klingt erstmal recht abstrakt und weit gefächert – und tatsächlich kennt die DIN 8589 auch ganze 17 verschiedenen Fertigungsverfahren, die alle zur Zerspanung zählen. Das fängt beim Drehen und Fräsen an und geht von Sägen über Feilen bis hin zum Gleitspanen. Für unseren Blog wollen wir uns aber auf die ersten beiden Verfahren beschränken.
In jedem Fall werden beim Zerspanen durch eine Werkzeugschneide Späne von einem Werkstück abgehoben. Hier können wir auch gleich noch den Unterschied zwischen Drehen und Fräsen erwähnen: Beim Drehen steht das Werkzeug fest und das Werkstück führt die Schnittbewegung aus – beim Fräsen ist es umgekehrt.
Kühlschmierstoffe (KSS) sind aus der modernen Fertigung nicht mehr wegzudenken. Sie verbessern die Oberflächengüte, steigern die Werkzeugstandzeiten und ermöglichen höhere Bearbeitungsgeschwindigkeiten. All das führt letztlich zu weniger Kosten durch weniger Bearbeitungsschritte, weniger Verschleiß und weniger Fertigungszeit. Zusätzlich führen Sie aber auch Späne ab und binden Stäube und Dämpfe direkt am Entstehungsort.
Aber wie überall gilt auch hier: Wo Licht ist, da ist auch Schatten. KSS sind nämlich relativ kostenintensiv. Warum das so ist, schauen wir uns gleich im Detail an.
Die reinen Kosten für den KSS sind natürlich ein Faktor, der aber von den oben erwähnten Vorteilen kompensiert wird. Der Einsatz von KSS erfordert allerdings neben dem reinen Verbrauchsstoff einen hohen Koordinations- und Arbeitsaufwand für eine Zerspanungsanlage. Warum das so ist, wollen wir jetzt im Detail betrachten.
KSS müssen häufig von Spezialanbietern beschafft werden – und zwar in besonderen Kategorien für den jeweiligen Einsatzfall. Grundlegend wird unterschieden in wassermischbare und nicht-wassermischbare Kühlschmierstoffe. Erstere sind auch unter dem Namen Bohrwasser bekannt, zweitere werden häufig als Schneidöl bezeichnet. Hier ergibt sich schon der erste Hinweis auf den Einsatzzweck: Bei Wassermischbaren KSS sind das eher hohe Schnittgeschwindigkeiten, wie sie beim Bohren, Drehen oder Fräsen auftreten. Nicht Wassermischbare KSS kommen tendenziell bei langsameren Geschwindigkeiten wie dem Gewindebohren zum Einsatz. Als Grundstoff dienen aber immer mineralische oder synthetische Schmierstoffe.
Hier gibt es jetzt zahllose Untergruppen für verschiedenste Einsatzgebiete, die von der einfachen Zerspanung von Baustählen bis hin zu komplexen Compounds reichen. Eine noch größere Anzahl von Additiven sorgt für die Anpassung der Eigenschaften.
Der Einsatz von KSS in der Fertigung erfordert aber nicht nur ein gutes Komplexitätsmanagement in der Beschaffung. Auch bei der Lagerung und im Einsatz sind zahlreiche Normen und Gesetze in den Bereichen Umwelt- und Gesundheitsschutz sowie Arbeitssicherheit zu beachten. Besonders die Wassermischbaren KSS sind nämlich bei wiederholtem Hautkontakt schädlich und können zu schweren Reizungen und Allergien führen, die in letzter Konsequenz bis hin zur Berufsunfähigkeit reichen. Deswegen ist beim Umgang mit KSS einiges zu beachten und die persönliche Schutzausrüstung unerlässlich.
Ein weiteres Problem, insbesondere bei Wassermischbaren KSS, ist die Belastung mit Keimen und Bakterien. Wenn Kühlschmierstoffe in der Fertigung in Kontakt mit der Umwelt kommen, bilden sich hier schnell Kulturen, die sich in hoher Geschwindigkeit vermehren und gefährliche Sporen bilden können. Hier kann ein Wochenende ausreichen, um eine verhältnismäßig harmlose Flüssigkeit in gefährliches Gebräu zu verwandeln.
Aus diesen und noch vielen weiteren Gründen – zum Beispiel der umweltgerechten Entsorgung und der aufwändigen Technik mit Förderpumpen – bedarf es beim Umgang mit KSS eines breiten Fachwissens und sicherer Prozesse, die eine konstante Überwachung gewährleisten.
Trockenbearbeitung bedeutet Zerspanung ohne den Einsatz von Kühlschmierstoffen – beziehungsweise die äußerst dosierte Verwendung von nicht-wassermischbaren KSS. Diese Bearbeitungsform nennt man deswegen auch Minimalmengenschmierung, kurz MMS. Sie wird oft synonym mit der Trockenbearbeitung verwendet, auch wenn dies rein sachlich nicht ganz richtig ist.
Möglich wird die Trockenbearbeitung vor allem durch neue Materialien bei den Werkzeugen, zum Beispiel Keramikschneidplatten, Hochgeschwindigkeitsschnittstähle (HSS) und Nano-Beschichtungen. Hier sind heute mit modernen Maschinen und Werkzeugen Schnittgeschwindigkeiten möglich, die beim 20-fachen dessen liegen, was noch um die Jahrtausendwende selbst mit KSS möglich war.
Die Vorteile der MMS sind also geringere Kosten und der Entfall chemischer Zusätze, was zu einer Reduzierung der Gesundheitsrisiken führt. Dabei beruht das Wirkprinzip der MMS auf der Benetzung der Spanfläche. Das ist zum Beispiel mit innengekühlten Werkzeugen relativ leicht zu erreichen, bei komplizierten Werkzeuggeometrien der Verzahnwerkzeuge ist es hingegen kaum realisierbar. So ist ein typisches Einsatzgebiet der Trockenbearbeitung zum Beispiel das Zahnradfräsen.
Etwa 85% der Zerspanungsprozesse werden nach wie vor in Nassbearbeitung mit großen Mengen an Kühlschmierstoff ausgeführt. Allerdings gewinnen die Trockenbearbeitung und die Minimalmengenschmierung zunehmend an Bedeutung.
Bei der Entscheidung für das geeignete Verfahren spielen technologische Aspekte wie der zu bearbeitende Werkstoff und die Maschinenleistung eine wichtige Rolle. Darüber hinaus werden auch potenzielle Energieeinsparungen und Anlagenkosten sowie gesundheitliche Aspekte, Nachhaltigkeit und verschärfte Vorschriften zunehmend in die Gesamtbetrachtung einbezogen.
Dank technologischer Fortschritte und detaillierter Kenntnisse über die Vorgänge an der Schneide eröffnen sich in Zukunft immer mehr Möglichkeiten, mit der Trockenbearbeitung oder Minimalmengenschmierung sicher und gleichzeitig hochproduktiv zu zerspanen.